Frauke Weller
24. Juli 2019
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Aktivreise nach Russland mit dem WSV Sinzig
„Hat jemand etwas zu verzollen?“ fragt der russische Zollmitarbeiter frech grinsend in den Bus. Und als ob man es vorher geübt hätte ertönt ein gemeinsames „Nein“. “Wirklich?“ „Nein nein, bestimmt nicht!“ So übersetze ich mir den Dialog, den ich im Bus von Danzig nach Kaliningrad am Grenzübergang mitbekomme. Das Austeigen bleibt uns zwar nicht erspart, aber ein strahlend blauer Himmel und gut gelaunt Zöllner sorgen für einen freundlichen ersten Eindruck von der Kaliningrader Oblast, Russland.
Weiter geht es bis nach Kaliningrad, wo uns Evegny bereits erwartet. Schlapphut, Wanderhose, rotes Karohemd und blaue Weste, mein Bild vom typischen Russen ist jetzt vollkommen zerstört. Im lupenreinen Deutsch heißt er uns willkommen, ich denke kurz an meine zwei Semester Russisch an der VHS und bekomme immerhin ein kurzes „Privjet“ heraus. Im hoteleignen Toyota werden wir jetzt nach Tschernjachowsk gebracht, wo sich bereits die anderen Teilnehmer unserer Reise aufhalten: Einige Vereinskameraden vom Wassersportverein Sinzig haben es sich bereits bequem gemacht, morgen soll noch ein weiterer Reiseteilnehmer zu uns stoßen, und so bilden wir eine recht muntere bunte Truppe die neugierig auf dieses Land ist.
Man kann die Kaliningrader Oblast, das ehemalige nördliche Ostpreussen, nicht bereisen, ohne überall auf Spuren der Vergangenheit, die bis in die Kaiserzeit zurückreichen, zu stoßen. Wurde die deutsche Vergangenheit in den ersten Nachkriegsjahren weitestgehend ignoriert, hat man jetzt auch diese Zeit als Teil der Geschichte begriffen und restauriert alte Häuser, richtet Museen ein und bietet Führungen an. Die Pädagogen unter uns freut der Besuch bei Juri, einem Schuldirektor, der uns stolz seine Schule zeigt mitsamt einem kleinen Ostpreussenmuseum. Erstaunlich wieviel Informationen er hier zusammengetragen hat! Und so wird uns immer wieder bewusst, dass die Heimat einiger unserer Vorfahren heute die Heimat der neuen Bewohner geworden ist und die Schönheit dieses Landstriches mit ihrem Zauber ein verbindendes Element ist.
Aber die eigentliche Überschrift dieser Reise war ja „Aktivurlaub“. So sind dann auch zwei Paddeltopuren auf der Angerapp und der Pisza geplant. Wir gleiten über kristallklares Wasser, sehen Fische im Schliff in Deckung huschen, beobachten Eisvögel und versuchen uns von den Bremsen nicht auffressen zu lassen- jede Romantik hat seinen Preis. Am Ende der Paddeltour erwartet uns ein Open-Air 3- Gänge Menü mit anschließendem Banjabesuch. Der Radfahrer, den wir Abends im Hotel kennenlernen hat die russische Banja etwa so beschrieben: „Beim Betreten der Banja, der russischen Sauna, schlagen einem etwa 100°C entgegen. Drinnen erwarten dich mit einem Filzhütchen bekleidete Menschen, die sich mit einer Birkenrute vermöbeln lassen.“ Davon ist kein Wort gelogen! Der Sprung danach in den kühlenden Fluß holt einen wieder zurück in diese Welt und erfrischt herrlich!
Ein weiteres Muß ist die Rominter Heide. Alexej, der ein kleines Museum betreibt und an diesem Tag unser Scout ist möchte uns so viel zeigen: Wilde Möhren, Waldkräuter, Pilze, natürlich Spuren der Vergangenheit und erstaunlich hohe Bäume (an die 40 Meter). Wie kamen wir nur auf die Idee, dass eine Tageswanderung für diese Gegend ausreichend wäre? Eine Woche wäre weitaus angemessener gewesen. Wie auch immer, Evgeny trägt stolz den Sack selbst gesammelter Butterpilze zu unserem Kleinbus, der uns dann zum Forsthaus bringt. Hier gibt es neben einem zünftigen Mittagessen auch Selbstgebranntes- eine weitere Adresse, die man nicht verpassen sollte.
Natürlich darf auch ein Besuch auf der kurischen Nehrung nicht fehlen. 100km lang trennt sie das kurische Haff von der Ostsee ab. Nur an der Nordspitze bei Klaipeda findet sich ein Durchlass, durch den sich die Memel ihren Weg ins baltische Meer gebahnt hat. Schon Thomas Mann wurde von dieser Dünenlandsachaft in ihren Bann gezogen und ließ sich hier, allerdings auf der litauischen Seite von seinem Literaturnobelpreis ein Haus errichten. Wir bauen an diesem Tag keine Häuser, sondern maximal eine Sandburg am Ostseestrand, streifen durch die Dünen und genießen den Ausblick auf das ruhig vor uns liegende Haff.
Es ist schlichtweg unmöglich alle Eindrücke dieser Reise in einen druckbaren Bericht zu packen, aber vielleicht reicht ja auch die Bemerkung, dass wir uns alle in dieses Land, die Menschen, die liebenswerte Schlitzohrigkeit, das leckere Essen und die vielen Herzbegegnungen verliebt haben.
Viel zu schnell vergeht die Zeit und ein wenig wehmütig treten wir unsere Heimreise an- aber mit dem schönen Gefühl neue Freunde gefunden zu haben.